Valérie Favre (Frankreich/Schweiz/Deutschland) im Gespräch mit der Künstlerin Anna Schapiro (Russland/Deutschland).
Künstlergespräch [Livestream] am 12. November 2020
Valérie Favre (Frankreich/Schweiz/Deutschland) im Gespräch mit den Künstler*innen Asana Fujikawa (Japan/Deutschland) und Driss Ouadahi (Algerien/Deutschland).
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Valérie Favre im Gespräch mit Thomas Macho, Kulturwissenschaftler/Philosoph, Direktor des Internationalen Forschungszentrums Kulturwissenschaften, Wien und Geraldine Spiekermann, Kunsthistorikerin, Universität Potsdam.
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Manfred Paul: Ich bin ja eigentlich so von Natur aus kein Dokumentarist; habe mich aber dann eigentlich
während des Prozesses dann dazu entschlossen, dass eigentlich das Ereignis doch sehr bestimmend ist
und wollte eigentlich das Gefühl, was ich habe, versuchen mit Bildern irgendwie zu erklären.
Das war ja mehr eigentlich dass man so einen bestimmten Lebensraum hatte, der ja durch die
Mauer sehr stark beeinflusst wurde. Also das Verhalten, das Reagieren, es ging immer um Mauer,
irgendwo ist Schluss und darauf zu reagieren, was passiert eigentlich jetzt, wenn die weg ist.
Und dann wollte ich eben vor allen Dingen diese hier, die Kleinen, wollte ich auch auf diesem Papier bringen.
Und die Polaroids und die Panoramen und die Großen würden auf dem Papier kommen.
Annette Tietz: Manfred, du bist 1989, gleich nachdem die Mauer gefallen ist, losgegangen, um diese Situation zu fotografieren.
Die Mauer hat sich ja unmittelbar hinter deiner damaligen und heutigen Wohnsituation befunden, in der Ystarder Straße.
Was war für dich der Anlass? Manfred Paul: Eigentlich war ich erst mal am Anfang sehr irritiert, dass das stattfand
und hatte das eigentlich gar nicht so ernst genommen. Als ich dann aber begriffen habe,
dass da irgendwas fällt, was jahrelang als unzerstörbar galt, bin ich eigentlich losgegangen, erst noch gar
keine Vorstellung, was ich mache, sondern die Situation hat mich eigentlich beherrscht,
mehr oder weniger. Ich habe versucht dann auf die Situation zu reagieren und während des ganzen
Prozesses des Bildermachens sozusagen, eigentlich auch für mich irgendwie eine Idee zu entwickeln.
Aber das Ereignis war schon das Entscheidende erstmal.
Das war natürlich absurd, dass ich im Grunde als ich nach Berlin ging, weil ich an der Filmhochschule Kamera studieren wollte,
dann ausgerechnet in die Ystader Straße kam. In der Ystader Straße liefen eigentlich schon so eine Art Vorklärer. Also das waren Polizisten, die immer guckten, wer da so geht.
Und wenn man vom Lande kommt, wo man als Kind irgendwie über Berge laufen konnte, endlos, war das natürlich für mich irritierend,
dass es auf einmal Schluss war. Hier war zu Ende. Ja und so endgültig. Und es klang so, als ob die nie wegfällt.
Diese Discofotos, die Porträts, die würden jetzt so eine Größe haben. Die einen waren ja zu groß, die wir hatten. Und das wären jetzt die auf dieser Größe in den 50×60 Rahmen.
Annette Tietz: Also ich finde dieses Foto von dem Bahnhof Bornholmer Straße,
S-Sahn Bornholmer Straße, in diesem Zusammenhang ganz schön, weil mich das persönlich so berührt.
Das ist ja eine Situation, die man sich heute nicht mehr vorstellen kann.
Dass also hinter dem S-Bahnhof Schönhauser Allee in der S-Bahn die Türen zugemacht wurden,
Gas gegeben wurde und dann ist man durchs Niemandsland der Grenze durchgefahren
und in Pankow wurden die Türen wieder aufgemacht. S-Bahnhof Pankow.
Und in der Situation stand der Bahnhof damals und ich kenne den auch nur in dieser verlassenen Situation.
Annette Tietz: Du hast ja erst mit den Fotos angefangen mit der Plattenkamera und dann hast du später noch Polaroids gemacht.
Manfred Paul: Ja. Und da kam die Idee, eigentlich das mal auszuprobieren
und habe dann festgestellt, dass das eigentlich diese momentane Situation, die sich so schnell
verändert, eigentlich eine Möglichkeit wäre, um mit Polaroids das für mich festzuhalten.
Annette Tietz: Das sind ja eigentlich Notate.
Manfred Paul: ja das sind so wie Tagebucheintragungen. Und mich selbst dann auch zu verständigen, was da passiert
weil ich glaube, als Fotograf denkt man eigentlich mehr mit Bildern,
also nicht mit Worten und man versucht nicht wie Literaten das zu formulieren, sondern versucht
das über Bilder sich zu erklären. Und ich habe eigentlich immer versucht, mir mit Bildern meinen
Sinneseindruck zu erklären. Also meistens ist das Bild weiter vorn als nachher die Erklärung.
Annette Tietz: Die kommt dann hintendrein.
Annette Tietz: Wir kommen jetzt hier zum Schluss noch zu den Panoramen.
Welche technischen Möglichkeiten hast du dafür genutzt? Hast du die auch mit der Plattenkamera gemacht?
Manfred Paul: Ja, entstanden ist es eigentlich dadurch, dass ich gemerkt habe, dass irgendwas noch fehlt beim Arbeiten .
Und ich wollte eigentlich diese Unendlichkeit, die sich da durch so eine Landschaft zieht,
so eine Stadtlandschaft, die wollte ich versuchen darzustellen und in seiner Globalität.
Annette Tietz: Das ist ja auch wichtiger Aspekt, der dass Einzelfoto, den Ausschnitt nochmal ergänzt.
Manfred Paul: Wie einfach so eine Stadtlandschaft zerschnitten wird, geteilt wird.
Ich meine, als ich die anderen, da hatte ich immer das Gefühl, vorher war das
so wie ein Golem, der da so mächtig steht, dann liegt er dann auch auf der Erde und alle latschen drüber.
Und die Zeit, die wir in dahinter verbracht hatten, war auf einmal weg.
Das interessiert auch keinen mehr heute, wie wir das erlebt haben. Annette Tietz: Das war ja mit ein Anlass
auch diese Ausstattung so zu machen und zu zeigen oder nochmal Aufmerksamkeit darauf
zu lenken, wie die Situation für die diejenigen gewesen ist, die also wirklich im Osten gelebt haben.
Gerade diese Diskussion und die Debatte in den zurückliegenden Jahren ist ja sehr
westlich und sehr ideologisch bestimmt gewesen. Und es ist ja unser Leben gewesen
und wir haben ja auch eine eigene Perspektive darauf und ich sehe sehr stark eben auch diesen Blick.
Eugen Blume: Was wir feierlich bedenken sollen, so hört man, ist der Eintritt in die Freiheit. Was aber ist
das Wort Freiheit anderes als ein Begriff von äußerster Fragwürdigkeit, bei dem es
vor allem darauf ankommt, wer ihn im Munde führt. Man sollte denjenigen grundsätzlich misstrauen,
die Freiheit ohne Zögern und ohne utopisches Verlangen ausstreuen wie hohles Zuckerwerk.
Ausstellung vom 17. Juni bis 30. August 2020 Eröffnung am Dienstag, dem 16. Juni 2020, von 16 bis 22 Uhr Einführung: Annette Tietz, Leiterin der Galerie
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Einführung zur Ausstellung: Annette Tietz, Leiterin der Galerie
Die Ausstellung wird am Eröffnungstag von 16 bis 22 Uhr sowie zu den Sonderöffnungszeiten für die Besucher*innen unter Beachtung der Hygienevorschriften zugänglich sein. Die Einführung wird digital präsentiert.
Zur Ausstellung erscheint das Künstlerbuch Sinnphobie der Worte. A POETOMAR.
Nutzen Sie bitte auch unsere digitalen Angebote.
Felix Martin Furtwängler ist Maler, er ist Zeichner, er beherrscht und benutzt alle gängigen druckgrafischen Techniken. Sein Schaffen ist rastlos und maßlos in einem besten Sinne. Aus einer überbordenden Phantasie und dem Drang zum lustvollen Fabulieren heraus entstehen stetig neue Werkkomplexe, welche die technischen und handwerklichen Möglichkeiten eines Mediums ebenso austesten wie sie die einzelnen künstlerischen Ausdrucksformen verbinden und deren Grenzen auflösen. Aspekte und Elemente wie Klang, Rhythmus, Wort, Bild, Farbe und Form werden unkonventionell miteinander verwoben und in ihrem Zusammenspiel sinnlich wie intellektuell neu erfahrbar. Den grafischen Blättern und Zyklen Furtwänglers liegen eigene Texte oder (welt)literarische Vorlagen zugrunde und gehen mit diesen eine bildhafte Symbiose ein. Ein Kristallisationspunkt seines Schaffens sind die „Malerbücher“, die Furtwängler in ungewöhnlicher Personalunion als Künstler und Verleger herausgibt, ermöglicht durch sein handwerkliches und technisches Know-how. Seine Arbeitsweise zeichnet sich dabei weniger dadurch aus, dass in logischer Folgerichtigkeit Text und Bild in Kongruenz zueinander gebracht werden. Vielmehr geht er über die konventionelle Illustration eines Textes als bildliche Entsprechung eines Narrativs hinaus und verbindet die klassischen Bestandteile eines Buches wie Text, Bild und typografische Gestaltung zu einer Einheit gleichwertigen Ranges. Die Ausstellung BASTA! Malerbücher und grafische Werke präsentiert ausgewählte Malerbücher und Objekte von Felix Martin Furtwängler und sie gibt einen Einblick in das vielseitige grafische Werk des Künstlers.
Felix Martin Furtwängler (1954 in Karlsruhe geboren) studierte Werbegrafik an der Kunstschule Alsterdamm in Hamburg und wechselte 1972 nach Berlin an die Hochschule der Künste, wo er 1973/74 die Schule für Werkkunst und Mode, 1975/76 den Studiengang Produktdesign besuchte und von 1977 bis 1982 freie Malerei und Grafik studierte. 1982 war er Meisterschüler bei Gerhart Bergmann. Seither entsteht eine Vielzahl von Künstlerbüchern und Buchobjekten. Furtwängler realisiert viele Ausstellungen und zahlreiche seiner Werke sind in öffentlichen und privaten Sammlungen vertreten.
Mit freundlicher Unterstützung der Senatsverwaltung für Kultur und Europa Ausstellungsfonds Kommunaler Galerien
Anke Fröhlich-Schauseil: Was sein Werk auszeichnet, ist die Konzentration auf die Zeichnung. Also Malerei,
Collage, andere Techniken kommen überhaupt nicht vor und die Konzentration auf das Bildnis.
Marlies Giebe: Ich sehe meinen Vater auch als Pädagogen; das muss ich sagen hat. Er ja sein Leben lang an der Hochschule unterrichtet.
Und ich glaube genauso ernst, wie er seine Kunst genommen hat, hat auch die Aufgabe des Lehrens gesehen.
Er hatte ja ein Atelier in der Hochschule und war als auch wirklich immer an der Hochschule präsent,
Das war eigentlich sein zweites Zuhause. Er hat dort gelebt und
war für seine Studenten auch da in den langen Jahrzehnten.
Manfred Zoller: Wenn der Name Kettner fiel, dann war das eigentlich immer ein Zeichen für sehr gutes Zeichnen
und da wurden dann auch noch konkretere Dinge gesagt. Kettner persönlich habe ich erst 1973 kennengelernt
und das Zeichnen wurde dann so intensiv, dass ich doch überlegt habe, möchtest du nicht doch jetzt noch mal
Kunst richtig studieren, an eine Akademie gehen. Und da hab ich mir einen Termin geben lassen,
bei Kettner, 1973, der damals schon eine Professur hatte und Rektor war.
Kettner, der ein sehr sozial denkender Mensch war, hatte einfach die Befürchtung, dass der junge Mann,
der sich bei ihm meldete, tatsächlich dieses anspruchsvolle Medizinstudium, was ja auch Geld kostet,
abbrechen würde und sagte, Sie können jederzeit wiederkommen, aber machen sie das Studium fertig.
Anke Fröhlich-Schauseil: Er hat sich dann eher abgearbeitet an den immer wieder gleich Modellen; seiner Mutter,
seiner Frau Gitta Kettner, die ja selber Künstlerin war, an den Kindern und hat im Durchgang durch’s immer
Gleiche versucht aber so eine Intensität zu finden, die das ist, was uns heute noch anspricht.
Sonst würden wir ja jetzt nicht gucken und dann doch auch eintauchen oder rangehen an die Bilder.
Annette Tietz: Besonders schön finde ich sieht man das in dem Bild ‘Frau M. im Schaukelstuhl’. Das ist eine alte Frau mit ihrem Stolz und dem abwartenden Blick.
Da ist ja auch ganz viel an Emotion, an liebevoller Zuwendung da, Respekt ihr gegenüber.
Anke Fröhlich-Schauseil: Ganz genau. Dann auch eine Ambivalenz. Sie sind nie so eindeutig im Ausdruck, sondern so vielschichtig wie er ein Gegenüber wahrnimmt,
zwischen Trauer und Resignation und Trotz und vielleicht einem ganz winzigen Lächeln.
Das nimmt er nicht nur war, sondern er findet auch ein Ausdruck dafür in der Zeichnung. Und das ist
glaube ich auch was, was die Betrachter heute noch anspricht, dass man merkt trotz aller Knochigkeit und Scharfsichtigkeit,
die manchmal bis kurz vor die Karikatur geht, liebt er sein Gegenüber.
Bernd Heisig: Das Leonhardi Museum hat eine besondere Zuneigung zur Zeichnung und Skulptur und
da ist Kettler natürlich der wichtige Mann in Dresden und da gibt es eine neue Generation
von Studenten, die zwar den Namen gehört hat, aber gar keine Bilder gesehen hat und
wir fanden es also an der Zeit, das nochmal zu machen und auch einen schönen Katalog zu machen. Das war die Idee.
Annette Tietz: Siehst du, dass es notwendig wäre, ihn neu zu bewerten?
Naja ich finde ich finde, man muss Künstler immer wieder mal vorholen und vorzeigen, dann wird der Rang ja deutlich.
Wir haben kaum eine Ausstellung gehabt, die so viel besucht war wie die von Kettner. Es ist schlimm,
wenn die Sachen verschwinden und wir hatten hier eben das Glück, dass wir aus dem Vollen schöpfen konnten.
Heidi Vogel: Das habe ich als das große Geschenk empfunden. Er war jemand, der hielt aus, dass andere anders sind.
In dem man Kunst studiert, weiß man ja, dass man eine Behauptung aufstellt.
Kann ich der also genügen und dann das ganze politische Umfeld, das ist ja klar, das floss natürlich ein.
Anke Fröhlich-Schauseil: Und es wurde aber auch schon zu Lebzeiten so verstanden, dass er sich auf
das Naheliegende, das Nächstliegende, nämlich die Freunde und Verwandten, sein häusliches Umfeld
konzentriert hat, weil anderes, beispielsweise Historienmalerei, natürlich kontaminiert war.
Durch die Formalismusdebatte in der DDR zum Beispiel. Und alles was Pathos oder
Ansprache oder Anklage oder Überredung oder Kommentar sein könnte in der Kunst,
das wollte er weg lassen, sondern sich an dieses Gegebene erhalten. Eigentlich eine sehr redliche
Auffassung, wenn man ansonsten den Umständen auch ein bisschen ausgeliefert ist oder eben den als Druck empfunden hat. […]
Manfred Zoller: Kettner hat kein Wert gelegt auf einen bestimmten Stil.
Womöglich noch das in seiner Art gezeichnet werden sollte, sondern er wollte
einfach die jungen Leute anregen und offen halten, dass sie etwas Eigenes finden, ihren eigenen Weg gehen
und später vielleicht auch eine eigene Form finden.
Marlies Giebe: Ja es ist schon also berührend auf jeden Fall. Für mich war die Ausstellung eine große Entdeckung.
Ich war erstaunt zu sehen, mit welcher Souveränität diese Blätter eigentlich Bestand haben.
Bernd Heisig: Schade hat im Zusammenhang mit Kettner irgendwann mal gesagt, der Zeichner muss viel mutiger sein als der Maler, weil jeder Strich sitzt.
Der Maler kann überarbeiten, kann übermalen. Der Zeichner muss entschiedener sein,
tapferer sozusagen und irgendwie reizt mich das, also mit relativ wenig,
scheinbar wenig Sachen, doch so einen Reichtum zu erzeugen. Auch so eine Farbigkeit sogar zu erzeugen,
auch wenn man eigentlich nur schwarz-weiß ist.
Marlies Giebe: Ich freue mich eigentlich, dass auch die nächste Generation
mit viel Aufmerksamkeit diese Blätter zum Teil zum ersten Mal sieht und die, die sie
wieder sehen eigentlich auch berührt sind. Das haben mir etliche Bekannte oder Künstlerkollegen gesagt,
dass es für sie ein Erlebnis war, die wieder zu sehen. Die Erwartung habe ich, dass dort wieder Leute Lust kriegen,
zu zeichnen und die Zeichnungen als Medium weiter wertschätzen.
Wir freuen uns, unser neue Video vorzustellen. Es war eine spannende und vielfältige Ausstellung und wir hoffen ihr mit unserem kleinen Film gerecht zu werden.
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mit Tennis-Elephant: Moritz Schleime ~ Alexander Klenz ~ Marcus Wittmers ~ Saskia Buwert ~ Patrick Gutschmidt ~ Hanna Hennenkemper ~ Henning Hennenkemper ~ Andreas Koletzki ~ Tammo Winkler ~ & ~ Rosalie Dupré ~ Christian Forsen ~ Moritz Frei ~ Jürgen Grewe ~ Steffi Klenz ~ Petra Lottje ~ Franz Rodwald ~ Anton Schwarzbach ~ Nele Winkler
Dokumentation zur Ausstellung Kurt Buchwald: Limes Mundi – Die Umkehrung der Sicht | Fotografie September bis 28.Oktober 2018 in der Galerie Pankow Mehr Informationen zur Ausstellung hier >> 5:54 Minuten / HD
Transkription des Videos
Kurt Buchwald: Das Spiel mit der Wahrnehmung ist eigentlich ganz wichtig.
Ich zähle ja zur Wahrnehmung eine ganze Menge. Dass man hier natürlich bloß Fotos sieht, ist eine andere Sache.
Also für mich war ja auch der Körper mal zum Anfang sehr interessant; dass ich mich sozusagen ins Bild begebe, körperlich
und dann davon Aufnahmen mache. Und das war sozusagen für mich ein Beobachten dessen, was man macht, durch ein anderes Medium.
Das Problem ist ja immer der Erkennbarkeit der Welt.
Und mit dem Rohr wird es eben soweit interessant, da die Grenze, deswegen heißt die Ausstellung ja auch “Limes Mundi”,
die Grenze eng gezogen wird. Wir bewegen uns in der Wahrnehmung in einer engen Grenze.
Und das Rohr verkörpert diese Grenze.
Deswegen heißt die Serie ja auch “Im Kreis der Wahrnehmung” und da fällt nur noch ganz wenig Licht rein.
Wenn ich das Rohr ein bisschen anhebe, kommt von dieser Seite Licht rein.
Das ist man nicht gewohnt. So hat man den Gegenstand noch nie gesehen.
Und so wird dieser Gegenstand völlig anders interpretiert und so funktioniert eben unsere Wahrnehmung.
Das ist eine Konstruktion. Das Gehirn überlegt immer, was kann es sein,
versucht das abzugleichen und da findet es irgendwie was.
Und dann denkt man: das ist das, aber wenn man dann ein bisschen
rationell dann ran geht, also mit Wissen sozusagen über die Dinge,
dann kommt man zu dem was man da eigentlich sieht.
“Der Observator” ist eine Weiterentwicklung der “OM Station”.
Das war eine Beobachtungsstation, die ich im Ruhrgebiet mal aufgestellt habe zum Festival.
Und ich glaube dann so paar Jahre später
hatte ich die Einladung nach Slubice zum Festival von Miloszy Olek (?) und dachte mir,
ich könnte da so eine Beobachtungssituation zwischen Polen und Deutschland installieren.
Ich habe mich dann entschieden für eine mobile Station, die man sozusagen rumfahren kann.
Also die man von Polen nach Deutschland schafft und wieder umgekehrt.
Damals war ja noch die Grenze kontrolliert, das heißt wir mussten durch
die Grenzkontrolle durch mit dem Observator. Und die Observation, oder sagen wir mal,
das Beobachten, ist ja eigentlich ein altes Thema von mir.
Denn wenn ich sozusagen fotografiere oder ein Film mache, ist ja automatisch eine Beobachtungssituation
und auch eine Observationssituation.
Und ich habe mir mal Gedanken gemacht, ja was es ist denn so das Medium Fotografie.
Was gibt es denn da so für Hintergründe und für Möglichkeiten.
Und da ist natürlich die Observation eine ganz interessante Geschichte.
Man muss sich da eigentlich im Klaren sein, dass objektive Wahrnehmung ganz schwierig zu realisieren ist.
Und der Fotograf kommt an, macht ein Bild und sagt, das ist die Wahrheit. Das kann es aber nicht sein.
Also ich sagte ja schon vorhin, dass ich so die Empfindung habe, dass die Wahrheit eine Konstruktion ist.
Und die ist ja nicht bloß eine Konstruktion, sondern sie ist auch eine Machtfrage.
Deswegen habe ich auch noch andere Erfahrungen gemacht. Die ist natürlich aus dem Osten gekommen,
dass die Behörden natürlich auch solche Leute sind die natürlich behaupten,
dass es so und so und so ist, es ist aber nicht so.
Ich hatte auch “fotografieren verboten” gemacht und da habe ich die Leute auch damit sehr irritieren können.
Und wenn ich dann sozusagen als Amtsperson aufgetreten bin,
ich sage: ich untersage hier von Amts wegen das Fotografieren, dann haben die Leute das auch akzeptiert.
Und deswegen habe ich dieses Amt für Wahrnehmungsstörung
1993 gegründet und heute sind wir ja ziemlich nahe dran mit diesen ganzen Fakes, die überall ablaufen.
Kurt Buchwald: Ich habe so eine Ader für obskure Sachen oder wo ich sozusagen ein Antiporträt mache,
weil die Blende sozusagen den Zugriff auf die Person verweigert.
Also da muss man sich wirklich fragen, ist das noch ein Porträt oder was passiert da eigentlich.
Oder warum mach ich jetzt so ein Porträt oder warum könnte ich jetzt so ein Porträt machen.
Und es findet ja nicht nur bei mir statt,
so eine Veränderung der Porträtsituation. Man sieht sieht es ja auch bei Kollegen
in den letzten Jahren, dass das immer mehr relativiert wird.
Also das wo man sagt, ja das ist so eine humanistische Auffassung.
Man muss den Menschen sehen und alle in total; das tritt immer mehr zurück.
Kurt Buchwald: Ja ich habe mich immer für Philosophie interessiert, für Geschichte.
Da ist die Fotografie dann eben doch ein Mittel sozusagen. Wie wenn ich etwas auf schreiben würde, wo ich mich dann
weiter unterhalten kann, wo ich auch was festhalte. Mit einem Foto kann man ja noch wieder was machen.
Das holt man heraus, betrachtet man wieder, man findet wieder neue Sachen dazu.
Und die Frage ist ja auch, wenn ich was anschaue,
wie schaue ich das an und wie interpretiere ich das Ergebnis.
Sabine Grzimek: Künstler, die mir nahestehen oder Menschen, die mir nahestehen, die habe ich überall,
wenn ich gereist bin und überall mal sind das einige Wenige. Aber die gibt es überall und die suchen
und manchmal haben die sogar ein ähnliches Problem oder eine ähnliche Idee gerade.
Also ich denke, das viel mehr alles vernetzt ist, dass wir viel mehr miteinander verbunden sind, als man denkt.
Man muss eine abstrakte Idee haben, sonst hat das Menschenbild kein […]
Sonst ist das alles lächerlich. Man kann ja keinen Menschen, man ist ja kein Schöpfer.
Man ist ja nur einer, der eine Idee davon schöpft. Abstraktion ist für mich in jeder gestalteten Arbeit.
Das ist das Gerüst, weshalb dieser reboot ist. Und Abstraktion, eine gute Abstraktion,
auch in einer Kirchenplastik oder in guten, alten Figuren oder Bildern ist immer ein Abstraktes.
Wir haben das so gelernt mit Unterteilung, der goldene Schnitt. Das ist für mich abstrakt.
Mit 16 war ich in Peetsch mit der Kunsthochschule, Budapester Kunsthochschule, und da habe ich gemalt, von morgens bis abends, 14 Tage lang.
Und dann dachte ich, das wäre ja toll, ein ganzes Leben lang malen, malen.
Bei der Gertrud Classen war ich in dem Bildhauerzirkel, erstmal haben wir Akt gezeichnet in Pankow im Abendkurs, während ich in die zwölfte Klasse ging.
Und dann hat sie unten in ihrem Keller, da hatte sie ihr kleines Atelier.
Da haben wir nach einem Modell einen Kopf gemacht. Das war für mich sehr anstrengend.
Also wie gestaltet man ein Auge, wie einen Mund und diese ganzen Dinge zusammen. Das war für mich etwas ganz Neues
und das war nicht nur schön, sondern auch anstrengend. Das war für mich die Sache, dass ich dachte,
dass man sich doch in die Bildhauerei mehr vertiefen kann. Tiefer gehen kann, wenn man möchte.
Sabine Grzimek: Das Schöne war bei der Zeichnung, dass ein wichtiger Strich das Allerwichtigste war.
Manchmal wichtiger als eine große Figur oder so, an der man zehn Jahre gearbeitet hat.
Durch Arno Mohr bin ich zur Radierung gekommen. Bei dem habe ich im Grundstudium gelernt,
wie man Platten vorbereitet, den Grat feilt und wie man druckt und alles Mögliche.
Und für mich blieb dann die Radierung das Einzige, wo ich alleine zu einem Ergebnis kommen kann,
ohne dass mir jemand reinredet. Und das durchzieht mein Werk, weil ich eine Idee
dann auch vielleicht fünfmal habe oder dreimal oder viermal, nicht einmal und weg ist.
Und ich habe sie in meinen Zeichenschränken und ich sehe sie und bei mir entwickelt sich eine Figur,
oder eine Idee für eine Skulptur, langsam über die Jahre. Und ich brauche immer den Rückhalt oder die Ermahnung,
vielleicht von der Radierung oder von einer Zeichnung. Eine Zeichnung vergleicht ganz schnell, eine Radierung habe ich fünf-, sechsmal.
Wichtig sind mir auch diese Grafiken von der Zia Maria, die du sehr schön präsentiert hast
und den kleinen Figuren, die ich leider nur dazu geschafft habe. Bei diesem Zyklus, den ich da gemacht habe,
war das wahnsinnig. Erstmal sind das junge, schöne Menschen; aber es geht nicht um schön,
sondern dass die offen sind. Die sich auch gefreut haben, dass man sie zeichnet und auch über die Blätter sich gefreut haben.
Ich habe ihn ja auch ab und zu mal eins gegeben. Und vor allem habe ich gemerkt, diese Zusammenarbeit von denen.
Sie haben sehr gute [?schaffen] im Miteinanderumgehen.
Durch die Bewegung sind plötzlich Wesen entstanden, die nebenbei noch entstanden sind.
Und dass ist noch eine Sache, die mich sehr interessiert.
Diese Art, dass da was entsteht, dass das etwas Geheimnisvolles entsteht.
Es ist schön, dass das so angenommen wird und so zurückkommt. Das ist auch für
mich ein Anstoß in dieser Sache noch mal ran zu gehen Vielleicht schaffe ich auch noch die Figur. Mal sehen.
Eine Kooperation mit der Lyonel-Feininger-Galerie, Quedlinburg.
Also wenn man malt oder zeichnet, ist das der Prozess, den man im Atelier alleine macht
und sobald man vielleicht in die Druckgrafik geht, verlässt man ja sein Atelier und geht
in einen anderen Raum und die Anonymität ist vorbei und dann wird das sozusagen ein Miteinander oft.
Und als ich anfing mit der Lithografie, dieser dicke Stein,
wo der sich bemühen muss, das zu schleifen. Der schleift dann den großen Stein.
Und jetzt soll man auf diesen großen, dicken Stein etwas Freies draufmachen.
Er wird abgespült und dann wird der Stein getrocknet und dann kann er reingetragen werden und bezeichnet werden.
Lothar Böhme: Aber ich mache es gerne wegen eben dem schönen Haus wir unterhalten uns über die heutigen Dinge.
Dann kommt man hin und dann ist da eine wunderbare Atmosphäre.
Und dann guckt man auf den Stein drauf und dann fängt man an.
Und je länger man das macht, wir machen das ja fast schon jahrelang, verliert man die Scheu, das zu machen.
Steffen Tschesno: Und das ist auch für mich das Interessante zu sehen, dass zwei Maler, wie unterschiedlich sie sozusagen
mit dem Medium Grafik umgehen. Der eine als zeichnerisches Medium und der andere sieht es als malerisches Medium.
Und das geht in beiden Techniken. Und in anderen natürlich auch noch.
Auch im Holzschnitt kann man natürlich malerisch arbeiten oder zeichnerisch arbeiten.
Und das finde ich oft sehr, sehr interessant.
Und über den Prozess, den Lothar beschrieben hat und auch den Said beschrieben hat,
also dass das man sieht, dass also Said in seinen Arbeiten, wo er Maler ist, also auch in der Druckgrafik,
egal ob in der Radierung oder auch in der Lithografie, immer einen malerischen Ansatz hat in seinen Arbeiten
und bei Lothar und Anna ist es, also vor allem bei der Radierung sieht man das,
eigentlich doch, dass sie auch in der Art arbeiten wie sie auch zeichnen.
Annette Tietz: Das ist die Suche wieder nach dem Auratischen des Kunstwerk und der Einmaligkeit des Bildes; das steckt dahinter.
Und das kann man durchaus also erzeugen, in dem man sich mit dem Blatt Papier, der Druckplatte,
dem Stein auseinandersetzt. Die Möglichkeit oder die Beschränkung des Materials annimmt
und innerhalb, also dieser Beschränkung, aber auch wieder zur eigenen Formulierung findet.
Das war eigentlich die Überraschung zu sehen, dass es so viele junge Künstler an
unterschiedlichen Hochschulen gab, die sich der Technik wieder zugewandt haben.
Das war für mich erstens, interessant zu sehen und zweitens, auch mal wichtig, einen Einblick in die
zeitgenössische Druckgrafik zu geben, weil es an anderer Stelle so bislang nicht stattgefunden hat.
Anna Slobodnik: Die Druckgrafik macht so ganz andere Dinge mit einem Bild während ich male.
Da das ein langsamer Werdeprozess ist, kann man eine Druckgrafik natürlich auch sehr oft überarbeiten,
aber man druckt erst einmal und man hat ein Produkt und dann kann man sich entscheiden,
möchte man weiter arbeiten. Man hat immer dieses “fertig”, das ist ganz faszinierend.
Annette Tietz: Es ist sicherlich auch eine Rückbesinnung auf eine Form von Kunst, die auch etwas mit Handwerk zu tun hat.
So im Sinne also des eigenen Herstellens und des Könnens, was damit verbunden ist.
Da steckt ja sehr viel Können und vor allen Dingen auch sehr viel Wissen dahinter,
was heute auch nur noch an wenigen Stellen weitergegeben wird und an so einer Stelle ist es dann durchaus
auch von Relevanz, dass es noch Druckwerkstätten gibt, also so die von Steffen Tschesno, das Lithografieatelier
und die solche Kenntnisse, dieses Wissen vermitteln und Künstler auch begleiten.
Said Baalbaki: Ich habe angefangen in Beirut vier Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs. Das heißt in sehr
miserablen Zustand studiert und wir waren 20 Leute gepresst in einen kleineren Raum als hier.
Wir hatten keine Druckwerkstätten, wir hatten nichts.
Und als ich nach Berlin kam, habe ich gesehen, was man für Luxus hier hatte.
Annette Tietz: Freie Druckgrafik spielt heute eigentlich keine große Rolle in der zeitgenössischen Kunst.
Wird eigentlich nicht gehandelt, wird von der Wissenschaft,
also von der Kunstwissenschaft, nicht mit einem besonderen Interesse wahrgenommen.
Das Überraschende daran ist, dass die Grafik trotzdem existent ist und das sich insbesondere viele
jüngere Künstler den traditionellen Techniken wieder zugewandt haben aus; unterschiedlichen Gründen.
Zum Einen um auch etwas Besonderes für sich zu finden, in der Formulierung ihrer eigenen künstlerischen Ideen.
Und dem kommen druckgrafische Techniken offensichtlich also auch ein Stückchen näher, mit der Möglichkeit des Experiments.
Das wird heute nicht mehr im Sinne dieses klassischen Auflagendrucks, Druckgrafik, hergestellt.
Druckgrafik findet man heute sehr stark, nach wie vor,
im Zusammenhang mit der Entstehung von Editionen, im Zusammenhang mit Büchern
und in Form von Unikaten, als experimentelle Arbeiten und darin also durchaus gleichrangig zu Zeichnungen.
Annette Tietz: Aber es ist ein Interesse für die Technik da und die Druckgrafik ist nach wie vor existent.
Die Techniken werden von vielen Künstlern genutzt;
zum Teil ausschließlich in ihrem künstlerischen Werk. Es hat sich ein Wandel ergeben.
Said Baalbaki: Wenn ich über ein Projekt nachdenke, dann denke ich direkt auch, was soll das Medium sein.
Soll ich mehr die Radierung einsetzen als die Lithografie oder ist es ein Holzschnitt und all diese Aspekte.
Wenn man das noch nicht richtig vertieft hat, dann kann man das nicht so schnell wissen.
Dann muss man auch die erfahrenen Leute nochmal fragen, dann ausprobieren und das kostet alles auch Zeit, Aufwand und Geld.
Annette Tietz: Es entspricht der Aufgabe kommunaler Galerien, Kunst zu zeigen, die der Markt nicht berücksichtigt
oder die nicht gehandelt wird. Und dazu zählt Druckgrafik auf jeden Fall auch.
Beteiligte Künstlerinnen und Künstler: Katharina Albers, Ayman Baalbaki, Said Baalbaki, Magdalena Beger, Lothar Böhme, Paula Carralero Bierzynska, Felix Martin Furtwängler, Agustín García, Dieter Goltzsche, Liat Grayver, Claas Gutsche, Konrad Henker, Hanna Hennenkemper, Philipp Hennevogl ,Horst Hussel, Gabriela Jolowicz, Mark Lammert, Wolfgang Leber, Kazuki Nakahara, Hans Scheib, Frank Sievers, Anna Slobodnik, Sebastian Speckmann, Strawalde, Genaro Strobel, Muriel Tauber, Eva Vent, Uta Zaumseil
Mit freundlicher Unterstützung durch die Senatsverwaltung für Kultur und Europa Ausstellungsfonds Kommunaler Galerien