Dokumentation zur Ausstellung in der Galerie Pankow
vom 20. März 2019 bis 19. Mai 2019
7:25 Muniten / HD
Transkription des Vdieos
Anke Fröhlich-Schauseil: Was sein Werk auszeichnet, ist die
Konzentration auf die Zeichnung. Also Malerei,
Collage, andere Techniken kommen überhaupt
nicht vor und die Konzentration auf das Bildnis.
Marlies Giebe: Ich sehe meinen Vater auch als Pädagogen;
das muss ich sagen hat. Er ja sein Leben lang an der Hochschule unterrichtet.
Und ich glaube genauso ernst, wie er seine Kunst genommen hat,
hat auch die Aufgabe des Lehrens gesehen.
Er hatte ja ein Atelier in der Hochschule
und war als auch wirklich immer an der Hochschule präsent,
Das war eigentlich sein zweites Zuhause.
Er hat dort gelebt und
war für seine Studenten auch da in den langen Jahrzehnten.
Manfred Zoller: Wenn der Name Kettner fiel, dann war das
eigentlich immer ein Zeichen für sehr gutes Zeichnen
und da wurden dann auch noch konkretere Dinge gesagt.
Kettner persönlich habe ich erst 1973 kennengelernt
und das Zeichnen wurde dann so intensiv, dass ich doch
überlegt habe, möchtest du nicht doch jetzt noch mal
Kunst richtig studieren, an eine Akademie gehen.
Und da hab ich mir einen Termin geben lassen,
bei Kettner, 1973, der damals schon
eine Professur hatte und Rektor war.
Kettner, der ein sehr sozial denkender Mensch war,
hatte einfach die Befürchtung, dass der junge Mann,
der sich bei ihm meldete, tatsächlich dieses anspruchsvolle
Medizinstudium, was ja auch Geld kostet,
abbrechen würde und sagte, Sie können jederzeit
wiederkommen, aber machen sie das Studium fertig.
Anke Fröhlich-Schauseil: Er hat sich dann eher abgearbeitet
an den immer wieder gleich Modellen; seiner Mutter,
seiner Frau Gitta Kettner, die ja selber Künstlerin war,
an den Kindern und hat im Durchgang durch’s immer
Gleiche versucht aber so eine Intensität zu finden,
die das ist, was uns heute noch anspricht.
Sonst würden wir ja jetzt nicht gucken
und dann doch auch eintauchen oder rangehen an die Bilder.
Annette Tietz: Besonders schön finde ich sieht man das in dem Bild ‚Frau M. im Schaukelstuhl‘. Das ist eine alte Frau mit ihrem Stolz und dem abwartenden Blick.
Da ist ja auch ganz viel an Emotion, an liebevoller Zuwendung da,
Respekt ihr gegenüber.
Anke Fröhlich-Schauseil: Ganz genau. Dann auch eine Ambivalenz. Sie sind nie so eindeutig im Ausdruck, sondern so vielschichtig wie er ein Gegenüber wahrnimmt,
zwischen Trauer und Resignation und Trotz und
vielleicht einem ganz winzigen Lächeln.
Das nimmt er nicht nur war, sondern er findet auch
ein Ausdruck dafür in der Zeichnung. Und das ist
glaube ich auch was, was die Betrachter heute noch anspricht,
dass man merkt trotz aller Knochigkeit und Scharfsichtigkeit,
die manchmal bis kurz vor die Karikatur geht,
liebt er sein Gegenüber.
Bernd Heisig: Das Leonhardi Museum hat eine besondere
Zuneigung zur Zeichnung und Skulptur und
da ist Kettler natürlich der wichtige Mann in
Dresden und da gibt es eine neue Generation
von Studenten, die zwar den Namen gehört hat,
aber gar keine Bilder gesehen hat und
wir fanden es also an der Zeit, das nochmal zu machen
und auch einen schönen Katalog zu machen. Das war die Idee.
Annette Tietz: Siehst du, dass es
notwendig wäre, ihn neu zu bewerten?
Naja ich finde ich finde, man muss Künstler immer wieder mal vorholen
und vorzeigen, dann wird der Rang ja deutlich.
Wir haben kaum eine Ausstellung gehabt, die so viel
besucht war wie die von Kettner. Es ist schlimm,
wenn die Sachen verschwinden und wir hatten hier eben das
Glück, dass wir aus dem Vollen schöpfen konnten.
Heidi Vogel: Das habe ich als das große Geschenk empfunden.
Er war jemand, der hielt aus, dass andere anders sind.
In dem man Kunst studiert, weiß man ja, dass man eine Behauptung aufstellt.
Kann ich der also genügen und dann
das ganze politische Umfeld, das ist ja klar, das floss natürlich ein.
Anke Fröhlich-Schauseil: Und es wurde aber auch schon
zu Lebzeiten so verstanden, dass er sich auf
das Naheliegende, das Nächstliegende, nämlich die
Freunde und Verwandten, sein häusliches Umfeld
konzentriert hat, weil anderes, beispielsweise
Historienmalerei, natürlich kontaminiert war.
Durch die Formalismusdebatte in der DDR
zum Beispiel. Und alles was Pathos oder
Ansprache oder Anklage oder Überredung
oder Kommentar sein könnte in der Kunst,
das wollte er weg lassen, sondern sich an dieses
Gegebene erhalten. Eigentlich eine sehr redliche
Auffassung, wenn man ansonsten den Umständen
auch ein bisschen ausgeliefert ist oder eben den als Druck empfunden hat. […]
Manfred Zoller: Kettner hat kein Wert gelegt auf einen bestimmten Stil.
Womöglich noch das in seiner Art gezeichnet werden sollte, sondern er wollte
einfach die jungen Leute anregen und offen halten,
dass sie etwas Eigenes finden, ihren eigenen Weg gehen
und später vielleicht auch eine eigene Form finden.
Marlies Giebe: Ja es ist schon also berührend auf jeden Fall.
Für mich war die Ausstellung eine große Entdeckung.
Ich war erstaunt zu sehen, mit welcher Souveränität
diese Blätter eigentlich Bestand haben.
Bernd Heisig: Schade hat im Zusammenhang mit Kettner irgendwann mal gesagt,
der Zeichner muss viel mutiger sein als der Maler, weil jeder Strich sitzt.
Der Maler kann überarbeiten, kann übermalen.
Der Zeichner muss entschiedener sein,
tapferer sozusagen und irgendwie
reizt mich das, also mit relativ wenig,
scheinbar wenig Sachen, doch so einen Reichtum zu
erzeugen. Auch so eine Farbigkeit sogar zu erzeugen,
auch wenn man eigentlich nur schwarz-weiß ist.
Marlies Giebe: Ich freue mich eigentlich, dass auch die nächste Generation
mit viel Aufmerksamkeit diese Blätter
zum Teil zum ersten Mal sieht und die, die sie
wieder sehen eigentlich auch berührt sind.
Das haben mir etliche Bekannte oder Künstlerkollegen gesagt,
dass es für sie ein Erlebnis war, die wieder zu sehen.
Die Erwartung habe ich, dass dort wieder Leute Lust kriegen,
zu zeichnen und die Zeichnungen als Medium weiter wertschätzen.