Europäische Filmkunst zwischen Stunde Null,
Kaltem Krieg und Studentenrevolte 1945 bis 1968
16. April 2015 / 19 Uhr Wahrnehmungsskepsis und Bilderrausch
- Michelangelo Antonioni: “Blow Up” 1966. 111 Minuten
Auf dem Höhepunkt der Pop Art entdeckt ein Fotograf, der noch an sein Medium als die wahre Spur des Wirklichen glaubt, auf den Vergrößerungen eines Shootings im Park zufällig einen im Gebüsch versteckten Mann mit Revolver und eine Leiche. Der nach dem ungläubigen Apostel Thomas genannte Fotograf macht sich auf die Suche nach der Leiche im Gebüsch und muss feststellen: Außer dem einen Abzug gibt es keine gesicherte Evidenz für den Mordfall. Am Ende trifft er Pantomimen auf einem Tennisplatz, auf deren Spiel ohne Schläger und Ball er sich schließlich einlässt, in der unbewussten Einsicht, dass wir nichts über die Wirklichkeit wissen, die sich hinter den Bildern verbirgt. So wird er von seinem „unmöglichen Drang bekehrt“, „das Wirkliche zu erfassen“. - Stanley Kubrick: “Barry Lyndon” 1975. 178 Minuten
Dieser Film benutzt den Roman „The Memoirs of Barry Lyndon, Esq.“ von William Makepeace Thackeray von 1844 und folgt dem Protagonisten auf seiner Odyssee bis nach Preußen in der Zeit des Siebenjährigen Krieges. Der Film wird nach Bildern des 18. Jahrhunderts komponiert. Kubrick zitiert Gemälde von Chardin, Chodowiecki, Gainsborough, Hogarth, Reynolds und Watteau, teils als „Tableaux vivants“. Einige Szenen des Films wurden ausschließlich bei Kerzenlicht gedreht, um die Stimmung der Rokoko-Interieurs authentisch einzufangen. Dazu benutzte Kubrick ein extrem lichtstarkes Objektiv, das von den Carl Zeiss-Werken eigentlich für die NASA hergestellt wurde. Kubricks Filmtechnik entrückt dem Betrachter die Welt des Rokoko zu einer fremden, künstlichen Bildkomposition, mit deren Figuren er sich nicht mehr identifizieren kann.